Die PKV schafft sich selbst ab!

ARZT & WIRTSCHAFT (2004)
Die PKV schafft sich selbst ab!

Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel

Bislang konnte die gesellschaftspolitische Grundlage der PKV als weitgehend gesichert gelten: Privatbehandlung ist die gegenüber der Kassenbehandlung höherwertige Versorgungsform, da sie nur der medizinischen Notwendigkeit und eben nicht einem kleinlichen Wirtschaftlichkeitsgebot folgt. So verpflichtet Paragraf 178b des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) die PKV zur Erstattung der Kosten für eine „medizinisch notwendige Heilbehandlung“. Und Paragraf 1 Absatz 2 der GOÄ legt den damit korrespondierenden Vergütungsanspruch des Arztes eben für diese „medizinisch notwendige Heilbehandlung“ fest. Dass deswegen die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit in der Privatbehandlung zum Vorteil der Patienten nicht von einem „Wirtschaftlichkeitsgebot“ nach dem Muster der GKV eingeschränkt wird, hat der Bundesgerichtshof (BGH) zuletzt mit seinem Urteil vom 12. März 2003 (Az.: IV ZR 278/01) eindrucksvoll bestätigt.

Wird die PKV mit der GKV gleichgeschaltet?

Im April 2004 jedoch hat eine vom Bundesjustizministerium eingesetzte Experten- Kommission unter Beteiligung hochrangiger PKV-Vertreter einen Gesetzentwurf für ein ganz neues VVG vorgelegt. Wenn dieser Entwurf im Jahr 2006 Gesetzeskraft tatsächlich erlangen sollte, wird die PKV mit der GKV definitiv gleichgeschaltet sein. Denn im künftigen Paragrafen 186 Absatz 3 VVG soll mit der „wirtschaftlichen Notwendigkeit“ ein neues Wortungetüm eingeführt werden, mit dem die PKV faktisch das Wirtschaftlichkeitsgebot der GKV übernehmen würde. Im typischen Juristendeutsch heißt es dort, die „wirtschaftliche Notwendigkeit“ und damit die Leistungspflicht des privaten Versicherers fehle nur, „wenn unter mehreren in gleicher Weise geeigneten Maßnahmen der Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen nicht diejenige gewählt wird, welche die geringeren Kosten verursacht“.

Diese Formulierung zielt an den tatsächlichen Gegebenheiten der Medizin vorbei und setzt den Privatpatienten künftig weitgehend der Willkür seines Versicherers aus. In der Praxis geht es nämlich in aller Regel gar nicht um unterschiedliche Preise gleichwertiger Leistungen, sondern vielmehr darum, dass eine etwas bessere Behandlung einen etwas höheren Preis hat. Denn der Privatpatient erwartet ja zu Recht das typische Gepräge einer privatärztlichen Behandlung, zum Beispiel den gehobenen privatärztlichen Praxisservice, das besonders ausführliche Beratungsgespräch, optimalen Behandlungsstil im Krankheitsfall, die Berücksichtigung von Komfortwünschen und die Anwendung modernster Behandlungsverfahren.

Die Erfahrungen mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot in der GKV deuten darauf hin, dass mit Einführung einer „wirtschaftlichen Notwendigkeit“ auch der Privatpatient nur noch Anspruch auf die jeweils billigste Leistung hat. Von einem solchen PKV-Kostendämpfungsgesetz bis zur Abschaffung von PKV und GOÄ durch eine Bürgerversicherung ist es dann nur noch ein kleiner Schritt. Denn es ist töricht anzunehmen, dass allein die andere Finanzierungsform in Gestalt von Äquivalenzprinzip und Altersrückstellungen die PKV vor der Liquidierung bewahren kann. Wenn sich die PKV daher nicht umgehend vom falschen Konstrukt der „wirtschaftlichen Notwendigkeit“ distanziert, hat sie sich bereits aufgegeben.

Autor
Dr. med. Lothar Krimmel

Quellenangabe
KRIMMEL, Dr. med. Lothar: Die PKV schafft sich selbst ab! – Ceterum Censeo: Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel. In: ARZT & WIRTSCHAFT (verlag moderne industrie GmbH, 86899 Landsberg), 05/2004

Download des Original-Artikels