Ein Meisterstück zum Start

ARZT & WIRTSCHAFT (2005)
Ein Meisterstück zum Start

Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel

Dass die Hauptamtlichkeit mit einer Professionalisierung der KBV-Vertreterversammlung einhergehen würde, war allgemein erwartet worden. Dennoch hat die Geschwindigkeit überrascht, mit der die neue Vertreterversammlung die Konzept- und Taktlosigkeit ihrer Vorgängerin in Sachen Andreas Köhler weggewischt hat. Hatte die letzte „alte“ Vertreterversammlung ihm noch demonstrativ einen Sitz im neuen Vorstand verweigert, so wurde er in der neuen Vertreterversammlung mit einer an Walter Ulbricht erinnernden Mehrheit von 98,3 Prozent sogar zum Vorsitzenden gewählt.

Köhler hat sich bereits großen Respekt erworben

Andreas Köhler ist in Sachen Arbeitseinsatz und Verlässlichkeit ein wahrhaft würdiger Nachfolger der langjährigen hauptamtlichen KBV-Spitze Rainer Hess. Bereits in der kurzen Zeit als Hauptgeschäftsführer hat er sich großen Respekt in der gesundheitspolitischen Szene erworben. Ob Köhler unter schwierigsten Rahmenbedingungen auch in analytischer und strategischer Hinsicht die Erwartungen an einen hauptamtlichen KBV-Chef erfüllen kann, muss die Zukunft erst noch zeigen

Die Integration des bisherigen Hausärztechefs Ulrich Weigeldt ist ebenfalls ein großes Plus für den neuen Vorstand. Damit dürfte spalterischen Tendenzen auf absehbare Zeit ein Riegel vorgeschoben worden sein. Letztlich muss man Weigeldt danken, dass er sich für dieses Amt zur Verfügung gestellt hat. Denn es wird manch größerer Spagat notwendig sein, den Hausärzteverband und seine neue Spitze von der Notwendigkeit der anstehenden Kompromisse zu überzeugen.

Allerdings wird die Sonne des Wahlergebnisses nur kurze Zeit über der KBV erstrahlen. Spätestens ab Mitte 2005 wird der gesundheitspolitische Diskurs wieder von der finanziellen Misere der GKV bestimmt sein. Deswegen tendiert die Wahrscheinlichkeit, dass demnächst in Form von Regelleistungsvolumina tatsächlich mehr Geld für Kassenärzte zur Verfügung gestellt wird, bei realistischer Betrachtung gegen null. Hinzu kommt, dass es nach wie vor erklärte Absicht aller politischen Parteien ist, im Rahmen künftiger strukturpolitischer Eingriffe den Einfluss der Kassenärztlichen Vereinigungen zurückzudrängen. Eine starke KBV wird diesen Wunsch vielleicht sogar eher befördern.

Das politisch brisanteste Problem hat sich Andreas Köhler im Stile eines Zauberlehrlings allerdings selbst geschaffen. Denn das EBM-Thema hängt der KBV seit jetzt schon mehr als fünf Jahren wie ein Mühlstein am Hals. Und mit dem Inkrafttreten des EBM 2000 plus werden diese Probleme eher noch größer. Doch der EBM hat keine Zukunft. Die Steuerung der Versorgung wird sich immer mehr wegbewegen von einem noch so fein geschliffenen kollektiven Vergütungsmodell hin zu differenzierten Gruppenverträgen.

In der entscheidenden gesundheitspolitischen Schlacht des Jahres 2007 müssen Köhler, Weigeldt und Co. den Kopf frei haben für die wesentlichen strukturpolitischen Themen, die allesamt jenseits des EBM 2000 plus liegen. Wenn es daher in den kommenden zwei Jahren nicht gelingt, das Vergütungsthema zu befrieden, braucht man sich über weitere Zukunftsplanungen keine Gedanken mehr machen.

Autor
Dr. med. Lothar Krimmel

Quellenangabe
KRIMMEL, Dr. med. Lothar: Ein Meisterstück zum Start – Ceterum Censeo: Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel. In: ARZT & WIRTSCHAFT (verlag moderne industrie GmbH, 86899 Landsberg), 01/2005

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