Profis an die KBV-Spitze!

ARZT & WIRTSCHAFT (2004)
Profis an die KBV-Spitze!

Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel

Die Organisationsreform von KBV und KVen ist eine in ihren Auswirkungen weithin unterschätzte Neuerung der Gesundheitsreform 2004. Und es gehört wohl zu den Kuriositäten ärztlicher Standesgeschichte, dass die einzige Maßnahme, die überhaupt noch den Zerfall der kassenärztlichen Selbstverwaltung aufhalten kann, nämlich die Professionalisierung ihrer Organisation, von außen angestoßen werden musste. Die Elite der ehrenamtlichen Funktionäre hat sich bis zuletzt gegen die Einsicht gestemmt, dass die Zeit des Ehrenamts angesichts der Komplexität moderner Gesundheitssysteme spätestens seit Anfang der 90er Jahre definitiv vorüber ist.

Gigantische Aufgaben für hauptamtlichen Vorstand

Der ab 2005 hauptamtliche KBV-Vorstand wird gigantische Aufgaben zu bewältigen haben. Er – und niemand anderes – vertritt die Kassenärzte im politischen Berlin und in der künftigen Gesetzgebung. Er bewegt mit seinen Erfolgen oder Misserfolgen ein Honorarvolumen von 25 Milliarden Euro. Er entscheidet über den Leistungskatalog der GKV und die Grundsätze der Qualitätssicherung ebenso wie über die Vergütungs- und Arbeitsbedingungen der Kassenärzte. Damit unterscheidet sich auch die künftige KBV in ihrer legislativen Kompetenzfülle fundamental von den Verwaltungsaufgaben einer KV.

Was der Satzungsausschuss anlässlich der KBV-Vertreterversammlung im Dezember 2003 als vorläufigen Diskussionsstand für die Besetzung des künftigen KBV-Vorstands vortrug, lässt an der Kompetenz des Ausschusses zweifeln. In Verkennung der Aufgabenfülle und in der irrigen Annahme, man könne die KBV wie eine KV organisieren, werden zwei Vorstandsmitglieder als ausreichend angesehen. Und diese beiden sollen sich auch noch im desaströsen Hausarzt-Facharzt-Konflikt gegenseitig aufreiben oder bestenfalls neutralisieren. Bis zuletzt konnten es gar nicht genug Vorstandsmitglieder sein. Neun Ehrenamtler drängelten sich regelmäßig in den KBV-Vorstand und ließen sich Ressorts zusprechen, die sie allerdings gar nicht ausfüllen konnten, da sie ja der Fiktion entsprechen mussten, noch mit beiden Beinen in der Praxis zu stehen. Die Opferung politischer Präsenz und professioneller Kompetenz auf dem Altar der Basisnähe hat eben dieser Basis Unsummen an verlorenem Honorar gekostet und eine massive Verschlechterung der Arbeitsbedingungen gebracht.

Aus demselben Grund bedeutet auch die Forderung des Satzungsausschusses, der Bewerber für ein KBV-Vorstandsamt müsse niedergelassener Arzt sein, eine unsinnige Einengung des Kandidatenpools. Man sollte den künftigen KBV-Vertreterversammlungen durchaus zutrauen, die jeweils am besten geeigneten Personen auszuwählen. Und das müssen nicht unbedingt nur Ärzte sein.

Wer den Gang der GMG-Gesetzgebung verfolgt hat, der weiß: Eine hauptamtliche, mit drei politischen Vollprofis ausgestattete KBV-Spitze hätte das Verwaltungs-Chaos der Praxisgebühr verhindert – und zwar durch politische Intervention vor dem Gesetzesbeschluss, anstatt im Nachhinein als Tiger mit der Forderung nach Verwaltungsgebühren zu springen und mal wieder als Bettvorleger zu landen.

Autor
Dr. med. Lothar Krimmel

Quellenangabe
KRIMMEL, Dr. med. Lothar: Profis an die KBV-Spitze!  – Ceterum Censeo: Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel. In: ARZT & WIRTSCHAFT (verlag moderne industrie GmbH, 86899 Landsberg), 01/2004

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