Keine Einheits-Zwangsversicherung!

ARZT & WIRTSCHAFT (2004)
Keine Einheits-Zwangsversicherung!

Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel

Der erste Pulverdampf ist verraucht, die weiteren Kampfhandlungen sind vertagt. Wenn die Befürworter einer „Bürgerversicherung“ trotz heilloser Zerstrittenheit über deren Ausgestaltung dennoch einen Punktsieg errungen haben, so liegt das ausschließlich an der Faszination des gewählten Begriffs, der das Ideal der „Gleichheit“ aus der französischen Revolution mit der typisch deutschen Vorliebe für die „Volksgemeinschaft“ zu vereinen scheint.

Die Uneinigkeit der rot-grünen Gesundheitsstrategien erlaubt eine Pause zum Luftholen, aber auch zum Nachdenken. Dabei ergibt sich eine verblüffende Feststellung: Der Begriff der Bürgerversicherung ist zunächst einmal nahezu unpolitisch. Er gestattet sämtliche Ausformungen – vom staatlichen Gesundheitswesen bis hin zu einem rein privatwirtschaftlichen Versicherungsmodell im Sinne der Kfz-Haftpflicht. Die Bedrohung für die private Krankenversicherung (PKV) ergibt sich nur aus der von ihren „Erfindern“ geförderten Konnotation der „Bürgerversicherung“ mit einer Einheits- Zwangsversicherung.

Die derzeitige Verteidigungsstrategie der Gegner einer Bürgerversicherung ist schwach. Sie hantiert mit schwer zugänglichen Begriffen wie „Kopfpauschale“ oder „Gesundheitsprämie“, die den wohlfeilen Versprechungen einer Bürgerversicherung in den Ohren der Bürger hoffnungslos unterlegen sind. Damit begeht die PKV einen strategischen Fehler: Sie lässt den Hardlinern der Einheitsversicherung Zeit, sich hinter dem überlegenen populistischen Begriffsmodell der Bürgerversicherung neu zu ordnen, anstatt im Sinne einer „Vorwärtsstrategie“ die gegnerischen Wortbarrikaden zu überrennen, die babylonische Sprachverwirrung zu nutzen und den Begriff der Bürgerversicherung im eigenen Sinne zu besetzen.

Versicherung ist die erste Bürgerpflicht! Also: Bürgerversicherung ist gleich Versicherungspflicht! Das kann die Losung sein, um aus Sicht der privaten Krankenversicherung die strategische Auseinandersetzung weit im gegnerischen Feld führen zu können. Die Plausibilität einer Versicherungspflicht ist offensichtlich. Und der Begriff „Versicherungspflicht“ ist im Sprachgebrauch positiv besetzt, weil er auf die „Wehrpflicht“ ebenso Bezug nimmt wie auf die „Haftpflichtversicherung“.

Der Ministerin geht es um die Abschaffung der PKV

Eine strategische Neuausrichtung der PKV hinsichtlich der Abwehr einer Einheits-Zwangsversicherung scheint dringend erforderlich. Denn der Ministerin und ihren ideologischen Frontkämpfern geht es im Kern um die Abschaffung der PKV. Der beständige Hinweis, die starke Stellung der deutschen PKV sei einzigartig in Europa, kommt nicht von ungefähr. Von der Erweiterung der EU erhofft man sich in Berlin auch eine „Wegharmonisierung“ der PKV.

Die Ärzte haben allen Grund, die PKV in dieser Auseinandersetzung zu unterstützen. Sie können dies am besten tun, indem sie die Privatmedizin als gehobene Versorgungsform weiter ausbauen. Die Existenz einer gehobenen, von der Kassenmedizin klar abgrenzbaren Versorgungsform ist der klarste Beweis dafür, dass eine Abschaffung der PKV das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in elementarer Weise verletzen würde.

Autor
Dr. med. Lothar Krimmel

Quellenangabe
KRIMMEL, Dr. med. Lothar: Keine Einheits-Zwangsversicherung! – Ceterum Censeo: Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel. In: ARZT & WIRTSCHAFT (verlag moderne industrie GmbH, 86899 Landsberg), 03/2004

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