Arzneimittel

Ab 1988 und insbesondere von 1992 bis 1999 war Dr. Krimmel in der Geschäftsführung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zuständig für Arzneimittelfragen und Arzneimittelpolitik. Der auch publizistische Kampf gegen die mit dem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) zum 01.01.1993 implementierten kollektiven Arzneimittelbudgets war eine seiner wichtigsten Aufgaben und ihre Abschaffung mit dem 2. GKV-Neuordnungsgesetz (2. GKV-NOG) zum 01.07.1997 gilt als einer der größten politischen Erfolge der KBV in den 90er Jahren.

Auch wenn Dr. Krimmel in der ärztlichen Öffentlichkeit eher mit der Einführung der Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) in Verbindung gebracht wird, so hat ihn die Arzneimittelpolitik – neben der Gesundheits- und Honorarpolitik – deutlich stärker in Anspruch genommen. Seine Beiträge zu den Arzneimittelbudgets sollten durchaus provozieren, um Politik und Kassen zu verdeutlichen, dass sie mit der Einführung eines in kafkaesker Weise inhumanen Mechanismus, bei dem der einzelne Arzt für die von ihm nicht beeinflussbare und auch gar nicht erkennbare Überschreitung eines bewusst niedrig angesetzten kollektiven Patientenbudgets nachträglich mit ggf. existenzbedrohenden Honorarabzügen bestraft wird, eine rote Linie in der Sozialgesetzgebung weit überschritten hatten. Da sich seine Beiträge und auch Prognosen teilweise deutlich auf das Volumen der Arzneiverordnungen auswirkten, wurde er in diesen Jahren nicht gerade zu einem Freund der von Pharmawerbung abhängigen Ärzteblätter.

Die kollektiven Arzneimittelbudgets waren übrigens eine „Erfindung“ des langjährigen Leiters des Kassenarztreferats im Bundesarbeits- bzw. später Bundesgesundheitsministerium, Dr. Gunnar Griesewell. Bereits in den Referenten-Entwurf der „Mutter aller Gesundheitsreformen“, des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes (KVKG) von 1977, hatte er die Arzneimittelbudgets eingebracht. Griesewell erzählte gerne die Geschichte, wie sie dort durch die bekannte Stand- und Trinkfestigkeit des legendären KBV-Vorsitzenden Dr. Hans Wolf Muschallik wieder verschwanden. Am Tag nach dem Treffen zwischen Arbeitsminister Dr. Herbert Ehrenberg und Muschallik im Berliner Seminar der KBV habe er seinen Abteilungsleiter Albert Holler bis zur Tür des Ministerbüros begleitet und ihn beschworen, nicht ohne die Budgets wieder heraus zu kommen. Als Holler jedoch wieder heraus gekommen sei, habe er sinngemäß nur berichten können: „Der Chef hat die Budgets heute Nacht mit Muschallik im Keller des Berliner Seminars weggetrunken. Das Ganze heißt jetzt ‚Arzneimittelhöchstbetrag‘.“

Dieser Arzneimittelhöchstbetrag bewirkte bekanntlich wenig, also keine Belastungen für die Kassenärzte, aber auch kaum Einsparungen für die Krankenkassen. 15 Jahre später war derselbe Gunnar Griesewell dann jedoch am Ziel. Denn mit dem Gesundheits-Strukturgesetz (GSG) von 1992 wurden die Arzneimittelbudgets von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer und seinem SPD-Verhandlungspartner Rudolf Dressler den Kassenärzten aufgezwungen. Der Wind hatte komplett gedreht: bei den abschließenden Beratungen in Lahnstein im Herbst 1992 saß die KBV am Katzentisch. Erneut brachte Trinkfestigkeit nach Mitternacht den Durchbruch; doch diesmal feierten Kassen, BMG und Politik ihre Budgetbeschlüsse an der Lahnsteiner Hotelbar, als die KBV-Spitze längst abgereist war. Lediglich anstandshalber informierte BMG-Abteilungsleiter Gerhard Schulte den KBV-Hauptgeschäftsführer am frühen Morgen telefonisch über die erzielten Ergebnisse und die historische Niederlage der KBV, da ja neben den Arznei- und Heilmittelbudgets gleichzeitig auch feste Honorarbudgets beschlossen worden waren. Es brauchte fünf Jahre harter Auseinandersetzungen, um der Politik aufzuzeigen, dass diese Durchbudgetierung der Kassenmedizin das Potenzial hat, nicht nur die Kassenärzte sondern auch die Versicherten von der GKV zu entfremden und damit die Idee einer solidarischen Krankenversicherung zu ruinieren.

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