Besonderer Service? Besonderer Preis!

ARZT & WIRTSCHAFT (2001)
Besonderer Service? Besonderer Preis!

Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel

Stellen Sie sich vor, sie gehen in ein Restaurant. Sie bestellen ein Menu, das auf der Karte mit 100 Mark ausgewiesen ist. Zum Kellner sagen sie: „Ich zahle ihnen 200 Mark, wenn sie mir einen hervorragenden Service bieten.“ Der Kellner entgegnet entrüstet: „Mein Herr, Nahrung ist ein Grundbedürfnis. Ich kann meine Gäste nicht unterschiedlich behandeln, egal wie viel sie dafür zahlen wollen. Sie bekommen daher den gleichen Service wie alle anderen Gäste. Aber die 200 Mark muss ich leider von Ihnen einbehalten, da sie ja gezeigt haben, dass sie so viel zahlen können.“

Eine Begebenheit aus einer anderen Welt? Keineswegs. Für die überwiegende Mehrzahl der deutschen Kassenärzte gehört eine solche Interpretation des Praxis-Service sogar zu den ehernen Grundfesten des Arztberufes. Diese Einstellung widerspricht gleichzeitig den elementarsten Erfahrungen in einer Dienstleistungsgesellschaft. Auf der ganzen Welt und in allen Wirtschaftsbereichen gehört es zu den selbstverständlichen Grundüberzeugungen, dass ein besonderer Service auch seinen besonderen Preis hat. Dies kann bei ärztlichen Dienstleistungen nicht anders sein. Auch ethische Überlegungen stehen dem keineswegs entgegen, da der gehobene Praxis-Service unabhängig ist von der Qualität der medizinischen Versorgung.

Im Krankenhaus ist der „kleine Unterschied“ im Service seit jeher selbstverständlich: Rund vier Millionen GKV-Versicherte haben private Zusatzversicherungen für Chefarztbehandlung und Zweibett-Zimmer, nur etwa 200.000 verfügen dagegen über entsprechende Versicherungen für die ambulante Behandlung. Dabei gibt es gerade in der ambulanten Medizin zahlreiche Möglichkeiten, anspruchsvollen Patienten im Privat-Service gezielt entgegenzukommen. Die Palette der Möglichkeiten reicht von Sofortterminen innerhalb von 24 Stunden über spezielle Privatsprechstunden ohne Wartezeiten bis hin zum aktiven Telefonservice des Arztes bei Befundmitteilungen.

Mit der beharrlichen Verweigerung eines differenzierten Angebots zum Praxis-Service laufen die Kassenärzte gleich in zwei gravierende strategische Fallen. Zum einen gelingt es den Krankenkassen, ihren Versicherten trotz permanent fallender kassenärztlicher Leistungsvergütungen vorzugaukeln, mit der Chipkarte könnten sie nicht nur auf dem Behandlungssektor, sondern auch im Service dieselben Leistungen erwarten wie Privatpatienten. Zum anderen ist eine Gegenreaktion der privaten Krankenversicherung zu erwarten, die sich natürlich fragt, aus welchem Grund sie teilweise doppelt so hohe Leistungsvergütungen für dieselbe Leistung zahlen soll, wenn doch selbst nach Überzeugung der meisten Ärzte Privat- und Kassenpatienten nicht nur in der Behandlung, sondern auch im Service gleichgestellt sind.

Die Ärzte haben es also selbst in der Hand, mit einer Differenzierung ihres Service-Angebots nicht nur den Wünschen ihrer Privatkunden entgegenzukommen, sondern auch die differenzierte Vergütung ärztlicher Leistungen inhaltlich zu begründen. Dabei ist eines schon heute offensichtlich: Nur wer auf die Herausforderungen einer modernen Dienstleistungsgesellschaft mit überzeugenden Praxis-Angeboten antwortet, wird seine berufliche Zukunft dauerhaft sichern können.

Autor
Dr. med. Lothar Krimmel

Quellenangabe
KRIMMEL, Dr. med. Lothar: Besonderer Service? Besonderer Preis! – Ceterum Censeo: Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel. In: ARZT & WIRTSCHAFT (verlag moderne industrie GmbH, 86899 Landsberg), 06/2001

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