Die KV ist am Ende!

ARZT & WIRTSCHAFT (2003)
Die KV ist am Ende!

Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel

Jetzt hat es die Republik ganz offiziell auch aus dem Munde des Kanzlers: „Das kostentreibende Vertragsmonopol der Kassenärztlichen Vereinigungen hat sich überlebt.“ Von hier bis zum „Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz“ sind es nur noch wenige Schritte. Zehn Jahre ungestörter Wühlarbeit der Krankenkassen haben sich ausgezahlt. Denn so viel ist sicher: An der Entmachtung der KVen wird auch die Union einen Konsens im Bundesrat nicht scheitern lassen.

Diese Entwicklung hat sich die KBV-Spitze selbst zuzuschreiben. Als vor exakt zehn Jahren die verbal-politische Schlacht um die Abschaffung der Kassenärztlichen Vereinigungen begann, hat die KBV die bis heute gültige, in der Sache aberwitzige und politisch selbstmörderische Losung ausgegeben: „Alle Kraft dem EBM!“ Während draußen die Einschläge der KV-Gegner immer näher kamen und die Honorarmisere immer katastrophalere Formen annahm, schlug man sich drinnen über das in dieser Situation Unwichtigste – die Honorarverteilung per EBM – weiter die Köpfe ein.

Mit dem systematischen Aufbrechen des Vertragsmonopols ist die KV historisch an einem Endpunkt angelangt. Tot ist sie damit allerdings noch lange nicht. Denn solange es den Job des KV-Funktionärs gibt, der bei guter Bezahlung vom tristen Alltag eines Kassenarztes ablenkt, wird es Kollegen geben, die zwar von politischem Lobbyismus und professioneller Interessenvertretung keine Ahnung haben, jedoch geradezu wild darauf sind, sich in eben dieses Amt wählen zu lassen. Da spielt es dann auch keine Rolle mehr, wenn die einzige Aufgabe der entmannten KV in der Drangsalierung der verbliebenen Kassenärzte besteht.

Wie immer in solchen Umbruchphasen, erwachsen aus den veränderten Konstellationen für die Kassenärzte auch neue Chancen. Denn ab sofort hat der Buhmann KV ausgedient. Ab sofort sind die Krankenkassen selbst die Gejagten, wenn Kosten steigen oder Leistungen verweigert werden. Es gehört daher schon eine gehörige Portion ordnungspolitischer Masochismus dazu, ausgerechnet in einer Phase sich dramatisch zuspitzender Konflikte die KV als den einzig erfahrenen und wettbewerblich neutralen Trouble-Shooter aus dem Weg zu räumen und zugleich die Patienten den sich allmählich formierenden unternehmerischen Ambitionen von Kassenfunktionären auszuliefern.

Dass mit der Entmachtung der KVen gleichzeitig die politische Vertretung der niedergelassenen Ärzte geschwächt würde, genau das ist eine Illusion, welche die ganze historische Einfalt der KV-Gegner offenbart. Das Gegenteil wird der Fall sein. Erst der Bruch des Kollektivvertrages ermöglicht es den Ärzten, starke eigene Interessenvertretungen ohne das Janusgesicht der Körperschaft aufzubauen. Die Zukunft gehört einerseits Verbünden versorgungsstarker und hochqualifizierter Fachärzte sowie andererseits strikt geführten politischen Organisationen mit wirtschaftlichem Hintergrund. Der MEDI-Verbund erfüllt bereits heute diese Voraussetzungen und hat daher alle Chancen, zur machtvollen Ärztegewerkschaft des 21. Jahrhunderts aufzusteigen.

Autor
Dr. med. Lothar Krimmel

Quellenangabe
KRIMMEL, Dr. med. Lothar: Die KV ist am Ende!  – Ceterum Censeo: Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel. In: ARZT & WIRTSCHAFT (verlag moderne industrie GmbH, 86899 Landsberg), 04/2003

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