EBM 2000 plus: GOÄ-Blaupause

ARZT & WIRTSCHAFT (2004)
EBM 2000 plus: GOÄ-Blaupause

Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel

Der neue EBM 2000 plus – wegen der zahlreichen Verschiebungen wurde er von unerschütterlichen Spaßvögeln zuletzt auch schon EBM 3000 minus genannt – kommt jetzt also definitiv als unfreiwilliger Aprilscherz des Jahres 2005. Dieser EBM wird neben gewollten auch zahlreiche ungewollte Effekte haben. Wahrscheinlich beschleunigt er sogar den Zerfall der KVen. Schließlich hat er die KV-Vertreter über mehrere Jahre davon abgehalten, sich mit den tatsächlichen Kernfragen unseres Gesundheitssystems zu befassen und sich gegen die existenziellen Bedrohungen von außen zu wappnen.

Ein seit jeher absehbarer Kollateralschaden

Unter Honorargesichtspunkten stand von Anfang an fest: Der neue EBM bringt den Ärzten im GKV-Bereich keinen einzigen Cent mehr, er kann im Sektor der privaten Krankenversicherung aber enorme Honorarmengen vernichten. Denn der reformierte EBM liefert nun die ideale Blaupause für die schon lange erwartete und ja auch überfällige GOÄ-Reform! Dieser massive „Kollateralschaden“ des neuen EBM war für kundige Beobachter von Anfang an vorauszusehen. Weil der Anspruch einer „betriebswirtschaftlichen Kalkulation“ des EBM schon von der Definition her auf die amtliche GOÄ abfärben muss.

Die Vernachlässigung des Zusammenspiels von EBM und GOÄ demonstriert einmal mehr die Unfähigkeit ärztlicher Standespolitik zu eigentlich so notwendigem „vernetztem Denken“. Es ist für die Ärzte fast schon typisch, dass sie an einzelnen Bausteinen des Systems im wahrsten Sinne „herumdoktern“, ohne gleichzeitig aber die unvermeidlichen Auswirkungen ihres Handelns auf andere Bausteine und auf das Gesamtsystem zu antizipieren. Und so wurden beim jahrelangen Werkeln am EBM die absehbaren Folgen für das GOÄ-Preisniveau ganz einfach systematisch ausgeblendet.

Ob die von Wirtschaftsminister Clement ins Spiel gebrachte völlige Freigabe der privatärztlichen Preise für die Ärzte die bessere Alternative wäre, darf allerdings bezweifelt werden. Denn es würde mit Sicherheit ein gnadenloser Preiswettbewerb einsetzen, der heute von der Berufsordnung durch die Untersagung einer wettbewerblichen Unterschreitung des GOÄ- Einfachsatzes noch verhindert wird.

Auch die PKV dürfte sich eher für eine Anpassung der GOÄ an das EBM-Niveau aussprechen. Zwar besteht für die PKV unverändert das Dilemma, dass die höheren Preise der GOÄ und das daraus postulierte höhere Versorgungsniveau zu den wenigen Argumenten für die Rechtfertigung einer privaten Krankenversicherung gehören. Aber für die Begründung eines höheren Versorgungsniveaus bedarf es angesichts entsprechender Erfahrungen im zahnärztlichen Bereich nur eines geringfügig höheren Preisniveaus von rund 30 Prozent und nicht des extremen Unterschieds von durchschnittlich 200 Prozent bei den heutigen Preisen von EBM und GOÄ.

Für die Ärzte gibt es vor diesem Hintergrund derzeit nur einen Trost: Die GOÄ-Preise werden voraussichtlich bis ins Jahr 2007 hinein stabil bleiben. Zum 1. Januar 2008 aber wird die Stunde der Wahrheit schlagen. Im Windschatten der großen GKV-Finanzreform – egal ob die dann Bürgerversicherung oder Gesundheitsprämie heißt – steht der GOÄ eine massive Abwertung mit der Angleichung an den EBM bevor.

Autor
Dr. med. Lothar Krimmel

Quellenangabe
KRIMMEL, Dr. med. Lothar: EBM 2000 plus: GOÄ-Blaupause – Ceterum Censeo: Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel. In: ARZT & WIRTSCHAFT (verlag moderne industrie GmbH, 86899 Landsberg), 12/2004

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