Kostenerstattung vor dem Aus

ARZT & WIRTSCHAFT (2004)
Kostenerstattung vor dem Aus

Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel

Die Einführung des Wahlrechts auf Kostenerstattung für alle Versicherten ist eines der wenigen positiven Highlights des GKV-Modernisierungsgesetzes. In der ersten Euphorie wurde jedoch vielfach übersehen, dass die Ausübung dieses Wahlrechts seit Anfang des Jahres deutlich schwieriger geworden ist. Seither muss der Versicherte nämlich Kostenerstattung für mindestens ein Jahr und für die gesamte ambulante Behandlung wählen, also für Arzt, Zahnarzt sowie Arznei- und Heilmittel. Und nach der Ausübung des Wahlrechts wartet dann noch die Zwangsberatung durch die Krankenkasse.

Unter diesen erschwerten Bedingungen kann die Kostenerstattung nur eine Chance haben, wenn alle ambulanten Leistungserbringer, insbesondere Ärzte und Zahnärzte, sich in ihrem Vorgehen abstimmen und wenn den Kostenerstattungspatienten ein echtes privatmedizinisches Angebot gemacht wird, das auch die inhaltlichen Vorteile der Kostenerstattung verdeutlicht.

Doch seit kurzem preschen einige ärztliche Gruppierungen mit der Idee einer „Billig-Kostenerstattung“ vor: Unter dem Eindruck der hohen Kosten für private Zusatzversicherungstarife propagieren sie eine Liquidation in der Nähe des GOÄ-Einfachsatzes, um Kostenerstattung für möglichst viele Versicherte erschwinglich zu machen. Dabei übersehen sie jedoch, dass der Versicherte selbst bei einem solchen Angebot unkalkulierbare Risiken in anderen Leistungsbereichen eingehen würde. Eine solche „Strategie“ ist daher unter Marktaspekten erschreckend naiv und zudem hinsichtlich der Auswirkungen auf die bisherige Privatmedizin geradezu desaströs. Denn die Privatbehandlung, von der weite Teile der Ärzteschaft heute leben, wird durch die Einführung einer „Billig-Kostenerstattung“ abgewertet und gerät selbst in Begründungszwang. Hierdurch wird wiederum der politische Druck auf die GOÄ-Steigerungssätze erheblich verstärkt.

Und schließlich: Sobald die Politik merkt, dass die Kostenerstattung als reine Zahlungsalternative ohne inhaltliches Angebot ausgestaltet wird, dürfte sie diese Wahlmöglichkeit unter dem Beifall von Medien und Verbraucherschützern bald wieder kassieren. Denn Kostenerstattung lediglich als Zahlungs-Alternative zum Sachleistungssystem ist ideologischer Unfug, der an den Bedürfnissen der Bürger komplett vorbeigeht. Die wollen nämlich in ihrer großen Mehrheit eine Zwangsversicherung im Sachleistungssystem.

Deswegen hat Kostenerstattung sowohl verfassungsrechtlich als auch unter Marktaspekten nur dann eine Zukunft, wenn dieser Begriff untrennbar mit der Alternative einer besseren medizinischen Versorgung im Sinne der Privatmedizin verknüpft wird. Der entscheidende Vorteil der Privatmedizin im Vergleich zur Kassenmedizin ist die ausschließliche Orientierung an der medizinischen Notwendigkeit und damit das Recht auf eine optimale medizinische Behandlung. Wenn die Ärzteschaft nicht in ihrer Mehrheit diesen Vorteil der Privatbehandlung in der täglichen Praxis umsetzt und nach außen kommuniziert, wird spätestens bis zum Jahr 2010 die Privatbehandlung abgeschafft und die GOÄ auf EBM-Niveau zurückgefahren sein.

Autor
Dr. med. Lothar Krimmel

Quellenangabe
KRIMMEL, Dr. med. Lothar: Kostenerstattung vor dem Aus – Ceterum Censeo: Gesundheitspolitische Kommentare von Dr. med. Lothar Krimmel. In: ARZT & WIRTSCHAFT (verlag moderne industrie GmbH, 86899 Landsberg), 06/2004

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