„Verzahnung“ von ambulanter und stationärer Versorgung
Im Zusammenhang mit der anstehenden Diskussion um eine „Strukturreform 2000“ in der gesetzlichen Krankenversicherung wird von verschiedenen Seiten wieder verstärkt auf das Problem der sogenannten „Verzahnung“ von ambulanter und stationärer Versorgung hingewiesen. Dabei werden zum Teil weitreichende Forderungen auf zwei grundlegende Annahmen gestützt:
- Es gibt in Deutschland eine zu starke Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung.
- Eine stärkere „Verzahnung“ von ambulanter und stationärer Versorgung führt zur Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven in der GKV.
Beide Annahmen stellen sich bei näherer Betrachtung als unzutreffend heraus. So gibt es in Deutschland bereits seit langem ein geregeltes Zusammenspiel zwischen ambulanten und stationären Versorgungskapazitäten. Bekannte Beispiele hierfür sind die
- Übernahme stationärer Versorgungsaufgaben durch mehr als 5.000 belegärztlich tätige Kassenärzte,
- Ermächtigung von mehr als 10.000 Krankenhausärzten zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung,
- Möglichkeit von Krankenhäusern zur Übernahme vor- und nachstationärer Behandlung sowie zur Durchführung ambulanter Operationen.
Auch die zweite Annahme, daß eine noch stärkere „Verzahnung“ zur Erschließung weiteren Wirtschaftlichkeitspotentials führen würde, wird durch keine empirische Studie gestützt. Im Gegenteil: In Untersuchungen durch den MDK Baden-Württemberg hat sich gezeigt, daß die stationäre Versorgung gerade dort die meisten Fehlbelegungen aufweist und damit am teuersten ist, wo die „Verzahnung“ in Gestalt einer verstärkten Teilnahme von Krankenhäusern an der ambulanten Versorgung am weitesten fortgeschritten ist. Dies bestätigen Erfahrungen aus den USA, daß erfolgreiches Kostenmanagement mit Wahl der jeweils richtigen Versorgungsstufe für den Patienten nicht etwa durch „Verzahnung“, sondern im Gegenteil nur durch strikte „Abschottung“ im Sinne einer Begrenzung des teuren stationären Leistungssektors auf die unbedingt notwendige Krankenhausbehandlung erreicht werden kann. Vor diesem Hintergrund scheint die Verzahnungsdiskussion zunehmend geeignet, von den eigentlichen Problemen abzulenken, die in den dramatisch zunehmenden Kosten der Krankenhausbehandlung bei gleichzeitig deutlich abnehmendem Bedarf zu sehen sind.
Die Zahlen jedenfalls sprechen für sich: So ist der Anteil der Ausgaben für die stationäre Versorgung an den gesamten Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenkassen von 32,1 % im Jahr 1992 auf 34,8% im Jahr 1998 gestiegen, während im gleichen Zeitraum der Ausgabenanteil für die ambulante Versorgung, einschließlich Arzneimittelbehandlung, von 33,4 % auf 31,6 % zurückgegangen ist (Abb. 1). Dies geschah zudem vor dem Hintergrund einer zunehmenden Verlagerung von Aufgaben aus dem stationären Bereich in die ambulante Versorgung. Für diese Verlagerungseffekte steht nicht nur der massive Ausbau des ambulanten Operierens in Arztpraxen, sondern auch die zunehmende Möglichkeit, schwerwiegende internistische Erkrankungen durch eine intensive ambulante Therapie außerhalb des Krankenhauses zu behandeln.
Dieser klare medizinische Trend kommt auch in dem stetigen Rückgang der Krankenhausbehandlungstage pro Jahr zum Ausdruck. Und es steht nicht zu erwarten, daß dieser Trend in Kürze gebrochen wird. Im Gegenteil: Die Zahl der Krankenhausbehandlungstage je Einwohner und Jahr ist in Deutschland mit rund 2,8 Tagen immer noch fast dreimal so hoch wie in den USA mit 1,1 Tagen (Abb. 2). Daher steht zu erwarten, daß in den nächsten Jahren noch ganz erhebliche Abschmelzungsprozesse der enormen Überkapazitäten im Krankenhausbereich stattfinden müssen.
Abb. 2: Zahl der Krankenhausbehandlungstage je Einwohner und Jahr
„Gesundheitszentrum“ als Rettungsanker
Diese Entwicklung wird selbstverständlich auch von der breiten Interessenvertretung der Krankenhäuser, bestehend aus Gewerkschaften, Kirchen, Ländern und Kommunen, mit Sorge wahrgenommen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft wird insbesondere im Vorfeld erwarteter politischer Entscheidungen nicht müde, auf eine Zunahme der Fallzahlen bei gleichzeitiger Reduzierung der durchschnittlichen Verweildauer im Krankenhaus hinzuweisen. Dabei wird geflissentlich verschwiegen, daß sich hinter den zunehmenden Fallzahlen abnehmende Patientenzahlen verbergen, da durch mehr oder weniger geschicktes zwischenzeitliches Entlassen aus der stationären Versorgung Fallzahlsteigerungen gewissermaßen „produziert“ werden. Es bleibt auch unerwähnt, daß die Zahl der Krankenhausbehandlungstage als Summe aller Behandlungstage im Krankenhaus kontinuierlich zurückgehen.
Da jedem klar sein muß, daß Zahlenspiele nur noch über eine gewisse Zeit über die schwindende Bedeutung des Krankenhauses außerhalb der Betreuung von Hochrisikopatienten hinwegtäuschen können, haben die hinter dem Krankenhaus stehenden Interessengruppen zu einer weitreichenden Gegenbewegung ausgeholt. Ziel ist, unter Erhalt der Standorte und der Arbeitsplätze die nicht mehr benötigten Krankenhauskapazitäten durch Umwandlung weiterer Krankenhausbereiche in „Gesundheitszentren“ für die ambulante Versorgung zu erhalten. Dieses Ziel scheint nunmehr greifbar nah, da die neue rot-grüne Regierungskoalition in kaum zu überbietender Eindeutigkeit mit einer Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante fachärztliche Versorgung sympathisiert.
Die Inhalte des Vorschaltgesetzes des Jahres 1999 sprechen bereits eine eindeutige Sprache. Obwohl dieses Gesetz nur eine „Atempause“ für die Diskussion der Strukturreform 2000 schaffen sollte, wurden bereits weitreichende Weichenstellungen vorgenommen. Der ambulante Versorgungsbereich wurde unbefristet budgetiert und im Ausgangsniveau des Jahres 1999 noch unter den Ausgaben des Jahres 1998 eingefroren, während der stationäre Sektor nicht nur die erheblichen Gewinne aus dem Jahr 1998 als Sockel mitnehmen durfte, sondern darüber hinaus auch noch für 1999 massive Ausnahmeregelungen erhielt. Da diese Ausnahmetatbestände in gleicher Weise für den ambulanten Sektor zutreffen, dort aber nicht berücksichtigt wurden, gibt das sogenannte „Vorschaltgesetz 1999“ allen Anlaß, die Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzgebung im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz gem. Art. 3 des Grundgesetzes überprüfen zu lassen.
Rechtliche, finanzielle und medizinische Einwände
Gegen die von den vereinigten Krankenhaus-Lobbyisten und der rotgrünen Regierungskoalition beabsichtigte Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante fachärztliche Versorgung sind eine ganze Reihe von Einwänden vorzubringen, die an dieser Stelle auf rechtliche, finanzielle und medizinische Aspekte beschränkt werden sollen. Aus rechtlicher Sicht scheint eine generelle Öffnung der Krankenhäuser bereits wegen der offensichtlichen Verletzung von Art. 14 des Grundgesetzes nicht durchführbar. Die Öffnung der Krankenhäuser würde für einen Großteil der ambulant tätigen Fachärzte mit öffentlich-rechtlicher Zulassung einen enteignungsgleichen Eingriff darstellen. Auch wettbewerbsrechtliche Erwägungen sprechen gegen ein solches Vorhaben. Aufgrund der derzeit praktizierten dualen Finanzierung, also der Mitfinanzierung der Krankenhäuser durch die öffentliche Hand, würde mit dem Öffnen der Krankenhäuser gleichzeitig ein Wettbewerb zwischen privat organisierten, niedergelassenen und öffentlich subventionierten Anbietern eröffnet. Dies ist nach geltendem Recht unzulässig. Voraussetzung für die Eröffnung eines derartigen Wettbewerbs wäre daher die monistische Finanzierung der Krankenhäuser alleine über die Krankenversicherung. Dies aber ist allenfalls nach Abschluß einer langwierigen Übergangsphase realistisch.
Gegen eine weitgehende Beteiligung der Krankenhäuser an der ambulanten Versorgung sprechen jedenfalls in Deutschland auch finanzielle Aspekte. Es liegt geradezu auf der Hand, daß die Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante fachärztliche Versorgung einen Sprengsatz erster Ordnung für die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung bilden würden. Bereits mit der bisherigen begrenzten Einbeziehung der Krankenhäuser im Rahmen von persönlichen oder institutionellen Ermächtigungen sowie der Möglichkeit zum ambulanten Operieren und zur vor- und nachstationären Versorgung zeigt sich, daß der öffentliche Dienst im Krankenhaus auch nicht annähernd in der Lage ist, sich aus den Vergütungssätzen zu finanzieren, welche für die ambulante Versorgung durch freiberufliche Kassenärzte derzeit gelten. Nicht anders ist es zu erklären, daß nicht nur die Möglichkeit des ambulanten Operierens, sondern insbesondere die Möglichkeit zur vor- und nachstationären Behandlung anstelle einer Krankenhausbehandlung bislang von den Krankenhäusern nur in minimalem Umfang genutzt wurde. Die jedenfalls für Deutschland unter Wirtschaftlichkeitsaspekten zu konstatierende Wettbewerbsunfähigkeit eines im öffentlichen Dienst organisierten Versorgungssystems kann schon anhand eines Vergleichs der aktuellen Arbeitsbedingungen von freiberuflich tätigen Kassenärzten und öffentlich Bediensteten gezeigt werden (Abb. 3).
freiberuflich | angestellt | |
Krankheitstage | ca. 2/Jahr | ca. 20/Jahr |
Urlaubstage | ca. 20/Jahr | ca. 30/Jahr |
bezahlter Fortbildungsurlaub | — | 5 Tage/Jahr |
Arbeitszeit | ca. 55 Std/Woche | 38,5 Std./Woche |
Nacht- und Wochenendbereitschaft | bis zu 100 Std./Woche | ca. 10 Std./Woche |
Rentenversicherungsbeiträge | 100% | 50% |
Krankenversicherungsbeiträge | 100% | 50% |
freiberufliches Risiko | ja | nein |
Regreßrisiko für Arzneimittel | ja | nein |
Preisverfall der ärztlichen Leistung | ja | nein |
Abb. 3: Vergleich der Arbeitsbedingungen von angestellten und freiberuflich tätigen Ärzten |
Angesichts der sich zunehmend verschlechternden Arbeitsbedingungen für niedergelassene Kassenärzte ist dieser Vergleich durchaus angetan, für den einzelnen Kassenarzt den Schrecken vor einer zwangsweisen Überführung der freiberuflichen kassenärztlichen Tätigkeit in den öffentlichen Dienst zu nehmen. Dies gilt gerade angesichts zunehmender Existenzbedrohung durch im eigentlichen Sinne berufsfremde Risiken wie Regresse aus Richtgrößenprüfungen und Überschreitungen der Arzneimittel- und Heilmittelbudgets. Es wäre interessant zu beobachten, wie bei Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante fachärztliche Versorgung die Krankenhäuser mit den zu erwartenden Milliardenregressen umzugehen beabsichtigen, die angesichts der unter Wirtschaftlichkeitsaspekten nur als unbedarft zu bezeichnenden Verordnungspraxis der Krankenhausärzte kaum abzuwenden sein dürften.
Gegen eine weitgehende Beteiligung der Krankenhäuser an der ambulanten fachärztlichen Versorgung sprechen schließlich nicht zuletzt auch medizinische Gründe. Dabei ist zunächst davon auszugehen, daß selbst in den weitestgehenden politischen Vorstellungen eine Beteiligung der Krankenhäuser nur in solchen medizinischen Bereichen erwogen wird, die zum einen keine Überschneidung mit der hausärztlichen Versorgung aufweisen und zum anderen an einem Großteil der Krankenhäuser verfügbar sind. Dabei handelt es sich um spezifische Leistungen aus den internistischen Teilgebieten (z. B. Kardiologie, Gastroenterologie, Nephrologie) sowie um Leistungen aus dem chirurgischen Fachgebiet. Andere Fachgebiete eignen sich zum einen wegen der notwendigen engen Bindung zwischen Arzt und Patient (z. B. Gynäkologie) und zum anderen wegen der nur sehr geringen Verbreitung entsprechender Krankenhausabteilungen (z. B. Dermatologie) nicht für eine ambulante Versorgung am Krankenhaus.
Gegen eine Verlagerung des ambulanten Versorgungsgeschehens ans Krankenhaus spricht insbesondere die unübersehbare und inzwischen empirisch untermauerte Gefährdung des Patienten durch eine unnötige Übernahme in die stationäre Behandlung. Das Krankenhaus ist ohne jede Frage ein sehr gefährlicher Ort für alle Patienten, die dort nicht hingehören. In der folgenden Übersicht ist eine Auswahl von Gefahren wiedergegeben, die insbesondere untragbar in solchen Fällen sind, in denen die Behandlung nicht stationär hätte durchgeführt werden müssen. Angesichts einer vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen ermittelten Fehlbelegungsquote von durchschnittlich 20 % ist das entsprechende Gefahrenpotential für die Patienten nicht zu unterschätzen. Dies wird zusätzlich untermauert durch die geringen Anstrengungen der Krankenhäuser, die gesetzlich eröffneten Möglichkeiten einer ambulanten vor- und nachstationären Behandlung anstelle der Krankenhausbehandlung zu nutzen.
Das Krankenhaus ist ein sehr gefährlicher Ort für Patienten, die dort nicht hingehören
- Nosokomiale Infektionen
- Thrombo-embolische Zwischenfälle
- Stürze und andere Unfälle
- Medikamentenverwechslungen
- Entwicklung von Antibiotika-Resistenzen
- Zunahme von Pflegebedürftigkeit
Quelle: Creditor, Annals Int. Med. 118:219 – 23
Hinzu kommt, daß die Weiterbildung am Krankenhaus seit Jahrzehnten sehr spezialisiert ausgerichtet ist auf die stationäre Versorgung. Dies hat zur Folge, daß die spezifischen Probleme der ambulanten Versorgung auch vom weitergebildeten Arzt nach der Niederlassung als Kassenarzt erst ganz allmählich in die ambulanten Behandlungsstrategien eingebaut werden müssen. Es steht daher zu erwarten, daß mit einer weitgehenden Beteiligung von Krankenhausärzten an der ambulanten fachärztlichen Versorgung ein ganz erheblicher Qualitätsverlust eintritt, der – wenn überhaupt – nur über lange Zeiträume aufgearbeitet werden kann.
An der Grenze zwischen medizinischen Aspekten und Aspekten des Behandlungskomforts liegen weitere Bedenken gegen eine Beteiligung der Krankenhäuser an der ambulanten fachärztlichen Versorgung. Hierzu gehören
- die häufige Behandlung durch nicht weitergebildete Ärzte,
- der häufige Wechsel des behandelnden Arztes und
- die im Durchschnitt deutlich längere Anfahrt zum Krankenhaus.
Es ist äußerst fraglich, ob die an einen hohen fachärztlichen Behandlungskomfort gewohnten deutschen Versicherten vor diesem Hintergrund das Angebot einer ambulanten fachärztlichen Versorgung am Krankenhaus annehmen würden. Eine systemverändernde Öffnung der Krankenhäuser als konkurrierender fachärztlicher Versorgungsstrang ist aber gerade unter Aspekten der Wirtschaftlichkeit der Versorgung nur bei entsprechender Akzeptanz in der Bevölkerung zu rechtfertigen.
Kompromiß: Optimierung durch sinnvolle Integration
Es steht außer Frage, daß die ambulante fachärztliche Versorgung durch niedergelassene Kassenärzte derzeit angesichts entsprechender Anstrengungen der vereinigten Krankenhaus-Lobby sowie gleichgerichteter Absichten der neuen rot-grünen Bundesregierung unter massivem Druck steht. Hinzu kommt eine weitere Bedrohung der Fachärzte durch Teile der auch gegenüber der Politik ganz offen nach Primärarztstatus strebenden Hausärzte. Die ambulante fachärztliche Versorgung steht daher unmittelbar vor einem „Zwei-Fronten-Konflikt“, der trotz der beschriebenen rechtlichen, finanziellen und medizinischen Einwände ein erhebliches Bedrohungspotential entfaltet. Damit es in dieser Situation nicht zu einem „Show down“ mit unabsehbaren Folgen für die medizinische Versorgung der Bevölkerung kommt, ist auf beiden Seiten die Bereitschaft zum Kompromiß gefordert.
Ein solcher Kompromiß kann darin bestehen, anstelle einer konfrontativen Auseinandersetzung eine einvernehmliche Optimierung der Versorgung durch sinnvolle Integration bestimmter Krankenhauskapazitäten in die ambulante fachärztliche Versorgung anzustreben. Die Abstimmung auf dieser Grundlage ist innerärztlich bereits weit gediehen. So sind sich die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Marburger Bund weitgehend darin einig, daß zur Optimierung der ambulanten und stationären Versorgung insbesondere folgende Instrumente in Frage kommen:
- ein Ausbau des kooperativen Belegarztsystems,
- die weitere Verbreitung von Praxiskliniken,
- ein Ausbau der Ermächtigung von Krankenhausärzten zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung,
- die gemeinsame Anschaffung und/oder Nutzung von Großgeräten,
- die gemeinsame Nutzung und Betreibung von Einrichtungen,
- die Einrichtung von Praxen niedergelassener Ärzte am Krankenhaus sowie
- die Errichtung einer Notfallpraxis am Krankenhaus oder die Nutzung von gemeinsamen Notfalleinrichtungen.
So soll insbesondere die gemeinsame Nutzung von Großgeräten und kostenaufwendigen Spezialeinrichtungen in der ambulanten und stationären Versorgung so weit wie möglich gefördert werden. Dazu dienen nach Auffassung der am Konsenspapier beteiligten Organisationen vor allem
- Kooperationsverträge zwischen Krankenhausträgern, Krankenhausärzten und Vertragsärzten,
- die Zulassung von Vertragsärzten zum Betreiben einer Kassenpraxis auch als Zweigpraxis in den Räumen eines Krankenhauses sowie
- die Ermächtigung von Krankenhausfachärzten zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung.
Insbesondere dieser letzte Punkt der Ermächtigung von Krankenhausärzten könnte durchaus im Konsens aller Beteiligten geregelt werden. Als Grundlage der Ermächtigung kann ein von der Ärzteschaft definierter Katalog spezialisierter Leistungen dienen, für deren fachgerechte Erbringung zur Vermeidung unnötiger gesundheitlicher Risiken für den Patienten die Infrastruktur eines Krankenhauses oder eine entsprechende intensivmedizinische Struktur vorgehalten werden muß. Für die in einen solchen Katalog aufgenommenen Leistungen wäre in der Regel der Bedarf für die Ermächtigung entsprechend qualifizierter Krankenhausärzte zu vermuten (sogenannte „Regelermächtigung“). Zu einem derartigen Katalog gehören nach Auffassung der am Konsenspapier beteiligten Organisationen Leistungen der
- interventionellen Kardiologie,
- interventionellen Gastroenterologie,
- interventioneilen Radiologie,
- Versorgung spezieller ontologischer Patienten,
- Versorgung spezieller Formen der AIDS-Erkrankung.
Es bleibt zu hoffen, daß der von Bundesärztekammer, Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Marburger Bund beschrittene Weg einer einvernehmlichen Lösung der „Verzahnungsproblematik“ von der Regierungskoalition im Rahmen der Gesetzesberatungen für eine Strukturreform 2000 aufgegriffen wird. Vor dem Hintergrund eines nicht nur für die niedergelassenen Fachärzte, sondern auch für die Krankenhäuser und die Gesundheitspolitik unkalkulierbaren Ausgangs einer konfrontativen Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung bleibt allerdings kaum eine andere Wahl als die Übernahme einer medizinisch sinnvollen und innerärztlich konsensfähigen Kompromißlösung.
Verfasser
Dr. med. Lothar Krimmel
Quellenangabe
KRIMMEL, Dr. med. Lothar: Öffnung von Krankenhäusern für die fachärztliche Versorgung. In: Albring, Manfred / Wille, Eberhard (Hrsg.): Szenarien im Gesundheitswesen – Bad Orber Gespräche über kontroverse Themen im Gesundheitswesen 5.-7.11.1998, Frankfurt/M., Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Wien, 1999. 306 S., zahlr. Tab. und Graf. (Allokation im marktwirtschaftlichen System. Bd. 42. Herausgegeben von Heinz König, Hans-Heinrich Nachtkamp, Ulrich Schlieper und Eberhard Wille), S. 146-155.
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