Wikipedia-Beitrag zu IGeL: Neufassung dringend erforderlich

WIKIPEDIA (2012)
Wikipedia - Bildlizenz: CC 3.0; Autor: Nohat (concept by Paullusmagnus); Text by Andre Riemann, Text in last revision by Mandavi

Wikipedia – Bildlizenz: CC 3.0; Autor: Nohat (concept by Paullusmagnus); Text by Andre Riemann, Text in last revision by Mandavi

Die verzerrte Darstellung der „Individuellen Gesundheitsleistungen“ in der WIKIPEDIA-Definition hat Dr. Krimmel durch folgenden Beitrag vom 17.08.2012 auf der WIKIPEDIA-Homepage kritisiert und zumindest eine Abmilderung der tendenziösen Darstellung erreicht:  http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Individuelle_Gesundheitsleistung

Wikipedia hat sich im Laufe der Zeit zum wichtigsten Online-Lexikon entwickelt. Bei vielen politisch bedeutsamen Begriffen versuchen jedoch teilweise einschlägig vorbelastete Personen, dem Publikum tendenziöse Erläuterungen zu präsentieren. Dass Wikipedia mit diesem Problem bis heute nicht richtig umgehen kann, ist ein großes Manko und belastet die Seriosität, Objektivität und Brauchbarkeit dieses Nachschlagewerks in ganz erheblichem Ausmaß. Die IGeL-Definition ist ein geradezu klassisches Beispiel für den Missbrauch der chaotischen Wikipedia-Kultur für die gezielte Täuschung des Publikums. Mit seinem nachfolgend dokumentierten Beitrag vom 17.08.2012 im Abschnitt „Diskussion“ greift Dr. Krimmel die damals gültige Wikipedia-Definition frontal an. Auch Jahre später sind die gröbsten Täuschungsversuche noch nicht beseitigt, es sind sogar neue hinzugekommen. So stellen die Autoren nunmehr fest: „Nach Ansicht der Verbraucherzentralen sind nicht alle dieser Leistungen medizinisch sinnvoll.“ Ganz so, als ob es Aufgabe der Verbraucherzentralen sei, für den Patienten zu entscheiden, ob z.B. eine Glatzenbehandlung oder eine Tatoo-Entfernung für ihn sinnvoll sei.

Der Wikipedia-Beitrag zu IGeL ist weitgehend unsachlich, desinformierend und tendenziös. Er wird insoweit den Ansprüchen eines Wikipedia-Beitrags hinsichtlich Informationsgehalt, Sachlichkeit und Neutralität in keiner Weise gerecht.

Bereits die Einleitung ist tendenziös im Sinne eines angeblichen Verbraucherschutzes. IGel müssen neutral definiert werden, also ohne den Arzt als Anbieter in den Vordergrund zu stellen. Denn derartige Leistungen werden außerordentlich häufig direkt vom Patienten nachgefragt, ohne dass der Arzt den Patienten darauf anspricht. Einige wenige Beispiele hierfür sind: die sportmedizinische Vorsorge vor der Aufnahme eines Marathon-Trainings, die reisemedizinische Vorsorge vor Tropenreisen, verschiedenste Gesundheitsbescheinigungen für Versicherungen und Behörden, Untersuchungen auf Tauch- oder Flugtauglichkeit oder zur Wiedererlangung des Führerscheins, verschiedenste alternativmedizinische Verfahren, therapeutische Strategien bei Haarausfall oder erektiler Dysfunktion, Verfahren zur operativen Behandlung der Fehlsichtigkeit, die Entfernung von Tätowierungen, die Verödung von Besenreiser-Varizen, kosmetische Behandlungsverfahren bei Narben- oder Faltenproblemen, die Entfernung der Vorhaut ohne medizinische Indikation.

Wenn schon, obwohl eigentlich nicht notwendig, die Leistungserbringer-Eigenschaft des Arztes in der IGel-Definition thematisiert werden soll, dann kann es angesichts der langen Vorgeschichte und des eigentlichen Zwecks der IGel-Festlegung nicht heißen: „…, die Ärzte … gegen Selbstzahlung anbieten können.“, sondern es muss vielmehr heißen: „, die Ärzte … nicht auf Chipkarte zu Lasten der Krankenkassen erbringen dürfen.“ Das ist im Ergebnis vergleichbar, aber eben kassenarztrechtlich korrekt und vor allem nicht tendenziös.

Auch der zweite Satz der Wikipedia-Definition ist in hohem Maße irreführend und zielt am eigentlichen Sachverhalt vorbei. Denn das dort thematisierte Wirtschaftlichkeitsgebot in der gesetzlichen Krankenversicherung betrifft nur einen Randbereich der IGeL-Leistungen. Die übergroße Mehrheit der individuellen Gesundheitsleistungen darf jedoch nicht etwa wegen fehlender Zweckmäßigkeit oder Wirtschaftlichkeit nicht von den Krankenkassen übernommen werden, sondern weil bereits der Anlass der Inanspruchnahme des Arztes nicht in die Zuständigkeit der Krankenkassen fällt! Dies gilt auch für die Mehrzahl der oben aufgeführten Beispiele. Denn ob Marathon-Training, Tropenreisen, Attestwünsche, Tauchtauglichkeit, Tätowierungen, männlicher Haarausfall oder Beschneidungswunsch: in allen diesen Fällen liegt bereits der Behandlungsanlass außerhalb der GKV-Zuständigkeit, so dass die Einordnung als IGeL-Leistung völlig unabhängig vom Wirtschaftlichkeitsgebot zu erfolgen hat.

Diese Feststellung ist keineswegs rein akademisch, sondern wirkt der mit der Wikipedia-Definition bewusst oder unbewusst bewirkten Irreführung der Verbraucher entgegen. Denn von Krankenkassen und Verbraucherverbänden wird gegen IGel regelmäßig ins Feld geführt, sie seien bereits deswegen „unsinnig“, jedenfalls aber „unnötig“, weil die Krankenkassen aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots alle wirtschaftlichen und zweckmäßigen Leistungen abdecken würden. Dies gilt jedoch nur dann, wenn auch der Behandlungsanlass in die gesetzliche Zuständigkeit der Kassen fällt, was für die große Mehrheit der IGel-Leistungen eben gerade nicht zutrifft. Im Ergebnis führt also gerade die von Krankenkassen und Verbraucherverbänden in der politischen Diskussion praktizierte Vermengung von IGeL und Wirtschaftlichkeitsgebot dazu, dass die Patienten und Verbraucher in massiver Weise desinformiert werden. Eine Wikipedia-Definition sollte sich nicht in den Dienst solcher politischer Kampagnen stellen.

Die offizielle Einführung des IGeL-Begriffs durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) im Jahr 1998 hat die gesetzlichen Krankenkassen in ihrem Selbstverständnis als „Vollversorger“ schwer erschüttert. Dabei hatte die KBV nichts anderes getan, als erstmals diejenigen von Patienten nachgefragten Leistungen zusammen zu stellen, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht von den Krankenkassen erstattet werden dürfen und deshalb von Kassenärzten auch nicht auf Chipkarte erbracht werden dürfen. Es folgten geradezu zwangsläufig gezielte Kassen-Angriffe auf dieses sich zunehmend etablierende Teilsegment des Gesundheitsmarkts. Vorrangige Strategie – neben der vorgenannten „Wirtschaftlichkeitsthese“ – war hierbei, einzelne strittige Verfahren herauszugreifen und als prototypisch für alle individuellen Gesundheitsleistungen darzustellen. Leider haben die Verbraucherverbände, die weitgehend abhängig von Zuschüssen der Krankenkassen sind, diese undifferenzierten Angriffe mitgetragen und damit die Verunsicherung der Patienten weiter verstärkt.

Man kann natürlich darüber streiten, ob die Entfernung einer Tätowierung eine medizinsch sinnvolle Leistung ist. Es ist aber unseriös, aufgrund solcher Patientenanliegen generell von „unnötigen Leistungen“ zu sprechen und diesen Stempel dann auf alle IGel-Leistungen anzuwenden. Damit wird das durchaus begründete Anliegen des Patienten geradezu verhöhnt und einer undemokratischen und paternalistischen Medizin das Wort geredet, ganz nach dem Motto: „Ich (als Abgeordneter, Kassenfunktionär oder „Verbraucherschützer“) entscheide, was für Dich (Patient) sinnvoll ist oder nicht!“ Dabei sind gerade solche Anliegen wie die Entfernung einer Tätowierung oder die Behandlung des Haarausfalls elementarer Ausdruck des Artikels 2 Abs. 1 unseres Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.“ Man ist angesichts des Wikipedia-Artikels zu den IGeL geneigt, für den Autor dieses Beitrags hinzuzufügen: „Dies gilt auch für den Bereich der Gesundheit!“